Stadtmuseum/Kleine Galerie | Museumsgeschichte(n)
Tümmlers Schätze unterm Rathausdach
Fünf ziegelrote Backsteinblöcke stehen am Kaufland-Ufer der Flutmulde.
Auf den kleinen Sockeln sind zwei eiserne Kellergitter und ein Zaunsfeld drapiert ‑ teils mit grazilen Elementen und Verzierungen. Der Blick fällt auch auf eine schiefe Eisentreppe mit Geländer - am oberen Ende zeugen zwei vierblättrige Blumen von Liebe zum Detail. Es sind Fragmente, Bauteile, Steinplastik und Reliefs aus der einstigen Robert-Tümmler-Fabrik; zu DDR-Zeiten als DBM-Werk bekannt, die 2008 abgerissen worden war. Heute ist es Kunst, die im Stadtbild erinnern soll: an einen Teil Döbelner Industriegeschichte.
Der Dresdner Bildhauer Vinzenz Wanitschke (1932 - 2012), der auch den Stiefelbrunnen kreierte, schuf das Kunstwerk 2008. „Das Monument am Kaufland zeigt: Robert Tümmler ist im Döbelner Stadtbild noch immer präsent“, sagt Kathrin Fuchs, Leiterin des Stadtmuseums. Zum Ensemble gehört auch eine dreiflügelige Klinkermauer, deren Mittelteil fast sieben Meter in die Höhe ragt. In einer halbrunden Vertiefung steht eine menschliche Steinplastik, die einst an der Fabrikfassade prangte. Kathrin Fuchs verweist auf den benachbarten Fußgängersteg, der die Innenstadt und das ehemalige Gründerzeitviertel verbindet: der Tümmlersteg. Doch es gibt viel mehr Greifbares, das das Schaffen des Unternehmens festhält. „Für uns sind die Erzeugnisse aus der Tümmler‘schen Fabrik wahre Schätze. Und diese bewahren wir in
unserem Depot auf“, macht Kathrin Fuchs neugierig.
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Insgesamt etwa 10.000 Objekte umfasst der Bestand des städtischen Museums - von historischen Dokumenten über Skulpturen und Bilder, bis hin zu Industrieerzeugnissen und darunter Beschläge und Türklinken. Und letztere gehören zu jenen Schätzen Tümmlers. „Rund 1.500 Stücke aus der Fabrikproduktion bewahren wir auf – vom Klingelschild bis zum Türknauf. Nur ein kleiner Teil ist in unserer Dauerausstellung zu bewundern“, zeigt Harry Heidl auf, er sichtet, ordnet und dokumentiert thematisch den Depotbestand zur Industriegeschichte im Depot. „Einiges ist geschafft, es bleibt aber noch viel zu tun. Aus der Döbelner Industriegeschichte haben wir insgesamt 3.500 Exponate verschiedener Branchen und Firmen“, so Heidl. In speziellen, grauen Archivierungskartons werden die Teile aufbewahrt; Fotos auf den Kisten weisen auf deren Inhalt hin. Die Produktstile sind vielfältig. „Es gibt schlichte Modelle von Knäufen, Griffen und Beschlägen aus dem DBM, die sich teilweise in Einfach- und Klarheit an Bauhauselementen orientieren. Das war typisch für die DDR-Produktion“, erklärt Museumsleiterin Kathrin Fuchs.
Die Stücke aus der Tümmler-Zeit hingegen sind oft kunstvoll gestaltet – im Design des Jugendstils (Ende 19. Jahrhundert) bis zu Art-Deco (1920er bis 1940er Jahre).
Fünf einzelne Komplexe in der Dauerausstellung im Rathausturm dokumentieren bisher die Döbelner Industriegeschichte, die ständig erweitert und ergänzt wird. Neben der Firma Robert Tümmler bilden Exponate und Infotafeln die Historie der Zigarren-, Miederwaren-, Seifen- und Silberwarenproduktion ab. „Die Industrie hat die Entwicklung und das Leben der Döbelner geprägt. Auch der Bau unseres imposanten Rathauses 1910 bis 1912 ist auf die damalige wirtschaftliche Bedeutung der Stadt zurückzuführen“, sagt Kathrin Fuchs. (Text: Andy Scharf)
Zur Geschichte der Fa. Robert TümmlerDie Fabrik wurde am 17. Juni 1878 gegründet. Errichtet wurde sie damals als Werkstatt des Graveurs Wilhelm Robert Tümmler. Die Firma wuchs schnell und stellte später vor allem Möbelbeschläge her. Ab 1927 produzierte Tümmler auch Autokarosseriebeschlagteile (Türgriffe etc.). Das Unternehmen wurde Zulieferer für Opel, Daimler Benz, Horch und dann der Auto-Union. Zu den herausragenden Leistungen gehört beispielsweise der erste verschließbare Türgriff (1930) und die Erfindung und Produktion der Lenkstocksicherung. 1939 wurde für die Fabrikation der Karosseriebeschläge ein eigenes Werk gebaut; Möbelbeschläge blieben jedoch das Kerngeschäft. Es wurde bis nach Afrika und in die USA exportiert. 1928: Tümmler beschäftigte 1.400 Mitarbeiter. Zur Zeit des Nationalsozialismus betrieb die Firma Rüstungsproduktion - auch mit über 100 sowjetischen Kriegsgefangenen sowie 500 Fremd- und Zwangsarbeitern. 1946 wurde die Firma in einen Treuhandbetrieb umgewandelt. Etwa 80 Beschäftigte produzierten Vorhängeschlösser, Bügeleisen, Bestecke, zahnärztliche Instrumente und Möbel- sowie Fahrzeugbeschläge. Quelle: www.archiv.sachsen.de (20850 Robert Tümmler, Metallwarenfabrik Döbeln; Einleitung Karolin Schmidt, 2003) |